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7.3.2023
Prof. Dr. Dr. h. c. Michael Hoch
Rektor der Universität Bonn
Magnifizenz, sehr geehrter Herr Professor Hoch,
mit Betroffenheit und Irritation haben wir die Nachricht in den Medien zur Kenntnis genommen, dass Frau Prof. Dr. Ulrike Guérot von der Universität Bonn gekündigt wurde, weil in ihren Veröffentlichungen Plagiate enthalten sein sollen. Auch wenn die Relevanz der Plagiatsanschuldigungen insgesamt fraglich erscheint, so müssen diese selbstverständlich geklärt werden. In diesem Zusammenhang gestatten Sie uns, auf einen drohenden Ansehensverlust der Universität Bonn hinzuweisen, der nach unserem Dafürhalten noch abgewendet werden könnte.
Wie Sie wissen, ist Frau Prof. Dr. Guérot eine begeisterte Europäerin, die vielfach mit Preisen geehrt wurde. Gleichzeitig ist Sie eine exponierte Kritikerin der Maßnahmen zur Corona-Politik sowie eine für viele sicher unbequeme Wissenschaftlerin mit strittigen Meinungen zu aktuellen europäischen Fragen. Vor diesem Hintergrund entsteht in den Medien gegenwärtig der Eindruck, dass die Plagiatsvorwürfe instrumentalisiert werden, um eine manchmal unbequeme Disputantin von der Universität zu entfernen und damit eine der Mehrheitsmeinung widerstreitende wissenschaftliche Position aus dem öffentlichen Diskurs zu verdrängen. Mit einer solchen Kontextualisierung der Causa wären Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit ernsthaft gefährdet.
Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass dieser Zusammenhang weder von Ihrer Kommission, noch von Ihnen bzw. von der dem offenen wissenschaftlichen Diskurs verpflichteten Universität Bonn hergestellt wurde. Als Hinweis sei gestattet, dass die Universität Bonn im Jahr 2008 im Fall eines Slawistik-Professors auf eine Entlassung verzichtete, da man sich „diese Maßnahme für schwerere Vergehen vorbehalten“ wolle. Nach allem, was in der Öffentlichkeit bekannt ist, wäre das mutmaßliche wissenschaftliche Fehlverhalten von Frau Guérot weniger schwer einzustufen als die im damaligen Fall vorliegende vorsätzliche Publikation einer studentischen Examensarbeit unter fremdem Namen. Dies könnte den Schluss nahelegen, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Umso wichtiger wäre es, dass die Öffentlichkeit sich ein substantiiertes Bild von den Plagiatsvorwürfen durch die Kommission machen kann und diesem Eindruck entgegengetreten wird.
Um eine Beschädigung des Ansehens der Universität in der öffentlichen Wahrnehmung zuvorzukommen, sollte eine außergerichtliche Klärung der Vorwürfe angestrebt werden, mit dem Ziel, die Kündigung noch vor einem gerichtlichen Vergleichstermin aus der Welt zu schaffen. Dies gäbe der Universität die Möglichkeit, sich zu einer offenen Streitkultur, die sich an die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis bindet, zu bekennen.
Im Vertrauen auf ein umsichtiges und dem Geist akademischer Freiheit verantwortetes Vorgehen
verbleiben mit kollegialen Grüßen
45 Unterzeichner aus 41 Universitäten
Unterzeichner:
Prof. Dr. Rainer Baule, FernUniversität in Hagen
Prof. Kerstin Behnke, Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar
Prof. Dr. Madelaine Böhme, Universität Tübingen
Prof. Dr. Andreas Brenner, Universität Basel
Prof. Dr. Klaus Buchenau, Universität Regensburg
Prof. Dr. med. Paul Cullen, WWU Münster
Associate Professor Dr. theol. Jan Dochhorn, Durham University
Prof. Dr. phil. Ole Döring, Hunan Normal University, Changsha (China), Privatdozent, KIT (Deutschland)
Prof. Dr. Gerald Dyker, Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. Michael Esfeld, Wissenschaftsphilosophie, Universität Lausanne, Schweiz
Dr. Matthias Fechner, Universität Trier
Dr. med. Johann Frahm, Stuttgart
Prof. i.R. Dr. Carsten Gansel, Universität Gießen
Prof. Dr. Manfred Gerwing, KU Eichstätt-Ingolstadt
Prof. Dr. Frank Göttmann, Universität Paderborn
Prof. Dr. Lothar Harzheim, TU Darmstadt
Prof. Dr. Detlef Hiller, Internationale Hochschule Liebenzell
Prof. em. Dr. Dr. Georg Hörmann, Universität Bamberg
Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann, FernUniversität in Hagen
Prof. Dr. theol. Martin Kirschner, KU Eichstätt-Ingolstadt
Prof. Boris Kotchoubey, Universität Tübingen
Prof. Dr. Christof Kuhbandner, Universität Regensburg
PD Dr. Axel B. Kunze
Prof. Dr. Salvatore Lavecchia, Università degli Studi di Udine
Dr. phil. Christian Lehmann, München
Prof. Dr. Stephan Luckhaus, Universität Leipzig
Prof. Dr. Christoph Lütge, TUM Institute for Ethics in Artificial Intelligence
PD Dr. Stefan Luft, Universität Bremen
Prof. Dr. Jörg Matysik, Universität Leipzig
PD Dr. Monika Melters, TU München
Prof. Dr. Klaus Morawetz, FH Münster
Prof. Dr. Markus Riedenauer, KU Eichstätt-Ingolstadt
Prof. Dr. Günter Roth, Hochschule München
Prof. Dr. Andreas Schnepf, Universität Tübingen
Prof. Dr.med. Wolfram Schüffel, Philipps-Universität Marburg
Dr. Harald Schwaetzer, Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte, Bernkastel-Kues
Prof. Dr. Henrieke Stahl, Universität Trier
Prof. Dr. Lutz Stührenberg, Oldenburg
Prof. em. Dr. Stephan Rist, Universität Bern
Prof. Dr. Dr. Steffen Roth, Excelia Business School La Rochelle, France, Kazimieras Simonavicius
University, Lithuania, University of Turku, Finland
Prof. Dr. Anke Steppuhn, Universität Hohenheim
Prof. Dr. med Henrik Ullrich, Staatliche Studienakademie Sachsen
Prof. Dr. Tobias Unruh, Universität Erlangen
Prof. Dr. Martin Winkler, ZHAW School of Engineering Winterthur
Prof. Dr. Christina Zenk, Staatliche Hochschule für Musik Trossingen
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Universität Bonn, 26.4.2023
Prof. Dr. Johannes F. Lehmann
Ich habe dem Rektor am 3. März 23, kurz nach der Bekanntgabe der Kündigung der Kollegin Guérot angeschrieben und meine Irritation zum Ausdruck gebracht und dass mich die Signalwirkung im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit an dieser Universität (und darüber hinaus) mit großer Sorge erfülle.
Ich habe dort dargelegt, dass es für alle Beobachter offensichtlich sei, dass Frau Guérot, die ausdrücklich nicht aus vorrangig wissenschaftlichen Gründen berufen wurde, sondern weil sie als damals öffentlichkeitswirksame Stimme für Europa in die politische Agenda der Universität passte, mittlerweile aus politischen Gründen für die Universität ein Imageproblem darstelle. Ein Beleg hierfür sei nicht zuletzt die Stellungnahme, die am 30.10.2022 auf der Homepage der Universität veröffentlicht wurde. Dort distanzierte sich die Universität von Äußerungen Guérots zum Ukraine-Krieg, Wissenschaftlichkeit wurde hier im Hinblick auf das Unterlassen von spekulativen Behauptungen angemahnt, nicht im Hinblick auf Plagiate. Es sei bereits aus diesem Grund plausibel, dass die Öffentlichkeit zwischen der politischen Distanzierung und den Plagiatsvorwürfen einen Zusammenhang herstelle – wie es dann auch in fast allen Presseberichten geschehen ist. Es sei für alle Beobachter ja auch naheliegend anzunehmen, dass Plagiate in ihren Büchern gar nicht gesucht oder thematisiert worden wären, hätte sie für einen europäischen Lockdown und europäisch koordinierte Panzerlieferung in die Ukraine geworben – wie spekulativ auch immer.
Indem die Universität nun die Kündigung vollziehe, die womöglich politisch begrüßt werde, auch von denen, für die ihre fehlerhafte Zitierweise nicht ins Gewicht fallen, weil Guérots politische Positionen mehrheitlich abgelehnt werden, normalisiere die Universität die Zustimmungsfähigkeit für die in meinen Augen gefährliche Grundhaltung, dass Universitäten sich von politisch ‚problematischen‘ Personen trennen sollten und Studierende vor allzu abweichenden Meinungen geschützt werden müssten. Solche Forderungen sind ja – ganz jenseits von Plagiatsvorwürfen – nach dem Erscheinen ihres Buches zur Corona-Pandemie und dem jüngsten Europa-Buch – auch öffentlich und intern erhoben worden. Dass die Hochschulleitung diesem Druck nun nachgebe, sei ein bedrohliches Signal für alle Wissenschaftler. Das Ergebnis werde nicht die Verteidigung von Meinungsfreiheit und diskursiver Vielfalt sein, die wir als liberale Gesellschaft vor dem Hintergrund einer zunehmend moralistisch-polarisierten Öffentlichkeit dringend brauchen, sondern ein Rückzug ins Schweigen, eine Verengung dessen, was öffentlich gefahrlos verlautbart werden kann.
Ich habe außerdem kurz zum Bericht der Plagiatskommission Stellung genommen und dargelegt, dass der Vorwurf der Aneignung fremden geistigen Eigentums nach diesem Bericht ganz überwiegend haltlos ist. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass in Büchern für Publikumsverlage eine andere Belegpraxis herrsche als in Publikationen für die Wissenschaftliche Community. Diesen Unterschied lasse die Kommission erstaunlicherweise nicht gelten, obwohl Frau Guérot gerade als Autorin von Büchern, die in die Öffentlichkeit wirken sollen – also ohne aufwändige wissenschaftliche Zitierapparate – berufen worden ist. Es sei darüber hinaus nicht plausibel, Stellen in die Liste der „Plagiate“ aufzunehmen, an denen Frau Guérot aus Sekundärquellen zitiert, aus Wikipedia oder, bei bekannten Sätzen (von Albert Einstein oder David Hume), nur den Autornamen nennt. Abschließend habe ich gefordert, dass die Universitäten in Zeiten einer extrem polarisierten Öffentlichkeit objektive Neutralität wahren sollten (auch gegen politische Mehrheiten), was in der Arbeit der Kommission ganz offensichtlich, aus welchen Gründen auch immer, nicht geschehen sei.
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Professor Dr. Dr. h.c. Matthias Kreck
Mathematische Institute der Universitäten Bonn und Frankfurt, Gründungsdirektor des im Rahmen der Exzellenzinitiative an der Universität Bonn gegründeten Hausdorff-Research-Institute for Mathematics.
Nachdem ich gelesen habe, dass einer Bonner Kollegin, Professorin Dr. Ulrike Guérot, gekündigt wurde, habe ich Frau Guérot, die ich bis dahin nicht kannte, kontaktiert und um Informationen gebeten. Sie hat mir vertraulich den Bericht der Untersuchungskommission geschickt und zugestimmt, dass ich ihn mit einem befreundeten Kollegen, Philosoph und Jurist, Professor Dr. Konrad Schüttauf, anschauen kann. Das Thema Plagiatsvorwürfe nehme ich sehr ernst, ich war seinerzeit Initiator einer Erklärung von Hochschullehrern zu den Standards akademischer Prüfungen aus Anlass der Plagiatsaffäre Guttenberg. Insofern bin ich immer hellhörig, wenn es um Plagiatsvorwürfe geht. Herr Schüttauf und ich sind zu der Einsicht gekommen, dass uns die Plagiatsvorwürfe insgesamt nicht überzeugend erscheinen. Bei den inkriminierten Schriften handelt es sich um zwei Bücher, die keinen wissenschaftlichen Anspruch erheben und insgesamt rund 560 Seiten umfassen. Die inkriminierten Stellen summieren sich auf kaum 10 Seiten. Und dabei sind die Vorwürfe der Aneignung fremden Gedankenguts ganz überwiegend haltlos. Ich nenne als Bespiel eine weithin bekannte Aussage Einsteins, auf den sie explizit als Autor hinwiest. Wenn man ihr dies als Plagiat auslegt, weil sie die genaue Fundstelle nicht benennt, dehnt man den Plagiatsbegriff auf völlig unzulässige Weise aus.
Nach diesem Ergebnis habe ich den Rektor meiner Universität, Professor Dr. Dr. h.c. Michael Hoch, angeschrieben, meine große Sorge um unsere Universität zum Ausdruck gebracht und ihm die obigen Einsichten mitgeteilt. Insbesondere habe ich ihm geschrieben, dass Frau Guérot in den allermeisten Fällen die Autoren benennt. Dass sie an zwei Stellen sogar darauf hinweist, dass sie genauer zitierten würde, wenn es sich um einen wissenschaftlichen Text handeln würde. Dies als Eingeständnis eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu nennen, wie die Kommission meint, erschiene mir absurd. An der Autorenschaft der inkriminierter Sätze blieben im Text keine Zweifel.
Ich teile dem Rektor mit, dass ich mir wirklich ernsthafte Sorgen mache, dass diese unsachgemäßen Vorwürfe dem Ansehen unserer Universität schaden werden. Herr Kollege Schüttauf sei aus seiner juristischen Erfahrung überzeugt davon, dass die Vorwürfe vor Gericht keinen Bestand haben können. Schließlich erinnere ich den Rektor an unseren gemeinsamen Einsatz in der Vergangenheit dafür, dass unsere Universität sich ausschließlich an wissenschaftlichen Standards orientiert und wir uns Exzellenz auf die Fahnen geschrieben haben. Das schiene mir hier nicht gegeben.
Ich bitte ihn zum Schluss um eine persönliches Gespräch, das nicht stattgefunden hat. Allerdings hatte ich Gelegenheit, mit einem mir gut bekannten Prorektor ein ausführliches Gespräch zu führen, über das wir Vertraulichkeit vereinbart haben. Nicht vertraulich ist, dass meine in dem Gespräch zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, dass die Universität einsieht, dass sie sich hier verrannt hat, bisher nicht erfüllt wurde.
Matthias Kreck, 28. April 2023